Novellierung der Gefahrstoffverordnung – wesentliche Änderungen

Im Rahmen der Verordnung zur Änderung der Gefahrstoffverordnung und anderer Arbeitsschutzverordnungen vom 2. Dezember 2024 wurden umfangreiche Änderungen in der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) vorgenommen. Der Schwerpunkt der Änderungen liegt in der Präventionsoptimierung arbeitsbedingter Erkrankungen durch Tätigkeiten mit gesundheitsgefährdenden Stoffen, wodurch es zu wesentlichen Neuerungen in Bezug auf den Arbeitsschutz im Umgang mit krebserregenden, keimzellmutagenen und reproduktionstoxischen Stoffen der Kategorien 1A und 1B (KMR-Stoffe) sowie Asbest kommt. In Bezug auf KMR-Stoffe wird unter anderem ein risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit solchen Stoffen eingeführt, wie es bereits in der TRGS 910 abgebildet wird. Zudem werden die Vorgaben zu Anzeigepflichten gegenüber der zuständigen Behörde optimiert. Die Änderungen sind am 5. Dezember 2024 in Kraft getreten, wobei für einzelne Regelungen Übergangsvorschriften gelten.

Hintergrund: Die Gefahrstoffverordnung ist das zentrale Element zur Regelung der Schutzmaßnahmen für Beschäftigte bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. Bei den Gefahrstoffen handelt es sich insbesondere um Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, die spezifische physikalische oder chemische Eigenschaften (bspw. entzündbar, akut toxisch, ätzend und/oder krebserzeugend) besitzen oder diese freisetzen können. Mit der Überarbeitung der Gefahrstoffverordnung werden neben der Implementierung des oben genannten Risikokonzepts, auch Anpassungen an die geänderte Krebsrichtlinie vorgenommen sowie die Vorschriften zu Asbest entsprechend den Ergebnissen des nationalen Asbestdialogs angepasst.

Eine der bedeutsamsten Änderungen der Gefahrstoffverordnung ist die Implementierung des risikobezogenen Maßnahmenkonzepts für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen aus der TRGS 910. Diese definiert in einem „Ampel-Modell“ die Risikobereiche „hohes Risiko“ (rot), „mittleres Risiko“ (gelb) und „geringes Risiko“ (grün). Die Unterteilung in diese drei Risikobereiche erfolgt anhand stoffspezifischer Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen. Mit Hilfe dieses Modells haben Arbeitgeber die Möglichkeit, für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen die Schutzmaßnahmen risikobezogen festzulegen. Arbeitgeber, deren Beschäftigte mit entsprechenden Stoffen umgehen, müssen das Risikokonzept künftig mit in die Gefährdungsbeurteilung aufnehmen.

Mit der Überarbeitung der Anforderungen an besondere Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit KMR-Stoffen der Kategorien 1A und 1B wurde unter anderem eine strengere Befolgung der klassischen Maßnahmenhierarchie implementiert. Künftig muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass solche Gefahrstoffe ausschließlich in einem geschlossenen System gehandhabt werden, wenn eine Substitution nicht möglich ist. Im Falle, dass ein geschlossenes System technisch nicht umsetzbar ist, werden hierarchisch Ersatzmaßnahmen definiert. Der bisherige beim Umgang mit den vorgenannten KMR-Stoffen ausschlaggebende Maßnahmenplan zur Umsetzung des Minimierungsgebots rückt an das Ende der Hierarchierangfolge. Zudem muss der Arbeitgeber für den Fall, dass auch bei Umsetzung des Maßnahmenplans der Arbeitsplatzgrenzwert entsprechender Stoffe nicht eingehalten werden kann oder dass Tätigkeiten im Bereich hohen Risikos ausgeübt werden, sicherstellen, dass diese Tätigkeiten nur nach einer vom Ausschuss für Gefahrstoffe ermittelten Regel ausgeübt werden.

Darüber hinaus müssen künftig auch Tätigkeiten mit reproduktionstoxischen Stoffen in das zu führende Expositionsverzeichnis mit aufgenommen werden. Die Pflicht der Arbeitgeber zum Führen eines solchen Verzeichnisses über Beschäftigte, die mit KMR-Stoffen der Kategorien 1A und 1B umgehen und für die hierdurch eine Gefährdung der Gesundheit in der Gefährdungsbeurteilung ermittelt wurde, galt bisher nur für entsprechende krebserregende und keimzellmutagene Stoffe. Die in dem Verzeichnis enthaltenen Daten zu reproduktionstoxischen Stoffen müssen mindestens für fünf Jahre nach Ende der Exposition aufbewahrt werden. Zudem wurde eine neue Mitteilungspflicht für Arbeitgeber gegenüber der zuständigen Behörde betreffend Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B ergänzt, bei denen der Arbeitsplatzgrenzwert nicht eingehalten wird oder die im Bereich hohen Risikos ausgeübt werden.

Auch in Bezug auf die Gefährdungsbeurteilung und Tätigkeiten mit Gefahrstoffen kommt es zu Neuerungen. Künftig müssen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung insbesondere die Angaben aus dem Sicherheitsdatenblatt des Lieferanten hinsichtlich der Zulassungspflichten sowie der Herstellungs- und Verwendungsbeschränkungen berücksichtigt werden. Darüber hinaus sind tätigkeitsbezogene Erkenntnisse über Belastungs- und Expositionssituationen (einschließlich psychischer Belastungen) fortan gegenüber Erkenntnissen aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge (einschließlich Biomonitoring) zu bevorzugen. Ebenfalls neu ist, dass Toleranz- und Akzeptanzkonzentrationen für KMR-Stoffe zukünftig in die Gefährdungsbeurteilung mit einfließen müssen. Zudem wird klar festgelegt, dass fortan die Einbindung der Belange des Arbeitsschutzes bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen in die betriebliche Organisation ausdrücklich zu den Grundpflichten des Arbeitgebers gehört.

Als zweites hauptsächlich aktualisiertes Themengebiet  wurden neue Verwendungs- und Tätigkeitsbeschränkungen für Asbest eingeführt. Dabei wurden Ausnahmen und zulässige Tätigkeiten mit Asbest eingefügt und die bereits enthaltenen Definitionen verbotener Tätigkeiten und zugehöriger Ausnahmen detaillierter dargestellt. Zudem wurden neue Anforderungen an Tätigkeiten mit Asbest festgelegt, für die das neu eingeführte risikobezogene Maßnahmenkonzept für KMR-Stoffe ebenfalls Anwendung findet. Darüber hinaus werden neue besondere Mitwirkungs- und Informationspflichten für Veranlasser von Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen sowie Anforderungen an die Gefährdungsbeurteilung solcher Tätigkeiten durch den Arbeitgeber geregelt. Diese beziehen sich vornehmlich auf Asbest, der in allen Gebäuden, deren Baubeginn vor dem 31. Oktober 1993 lag, vermutet werden muss. Allerdings galten bis April 1994 für bestimmte asbesthaltige Stoffe, Zubereitungen oder Erzeugnisse andere Übergangsfristen, weshalb auch bei späterem Baubeginn Asbest nicht immer sicher ausgeschlossen werden kann. Die einzuhaltenden Maßnahmen bei Abbruch, Sanierung oder Instandhaltung solcher Gebäude sind nun detailliert geregelt und zielen insbesondere auf das Erkennen von und den Schutz vor enthaltenem Asbest ab, der bei Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen ggf. freigesetzt werden kann. Es wurden eine Vielzahl an Übergangsvorschriften für Tätigkeiten mit Asbest in die Gefahrstoffverordnung aufgenommen.

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Dr. Lukas Pinkert

Dr. Lukas Pinkert

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