Der Rat der Europäischen Union hat am 27. Mai 2024 die neue EU-Verordnung für das Ökodesign für nachhaltige Produkte (ESPR) angenommen. Die neue Verordnung ist als Rahmenwerk konzipiert und legt Kriterien für neue Produktregulierungen fest, welche von der Kommission durch produktspezifische Verordnungen konkretisiert werden müssen. Sie löst die Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG ab, wobei einzelne Regelungsinhalte noch bis zu unterschiedlichen Zeitpunkten weitergelten. Die ESPR regelt künftig fast alle in der EU auf den Markt gebrachten oder in Betrieb genommenen physischen Produkte mit wenigen Ausnahmen, wie bspw. Lebens- und Futtermittel, Medizinprodukte, Pflanzen- und Tierprodukte sowie bestimmten Fahrzeugen. Ziel der neuen ESPR ist es, Nachhaltigkeit schon im Design von Produkten anzulegen. Sie enthält dazu eine Vielzahl neuer Anforderungen u. a. betreffend die Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit von Produkten.
Hintergrund: Mit den derzeitigen Ökodesign-Anforderungen, die sich bislang nur auf energieverbrauchsrelevante Produkte beziehen, wurde bereits ein großer Beitrag zur Verbesserung der Energie- und Ressourceneffizienz und somit auch zur Reduktion der CO2-Emissionen in der EU beigetragen. Ebenso wirkt sich das Ökodesign positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie aus, indem Produktionskosten gesenkt werden können und Chancen hinsichtlich der Stärkung der Innovationskraft entstehen. Die neue ESPR soll vor dem Hintergrund des European Green Deals nun die europäische Wirtschaft zu einer modernen, wettbewerbsfähigen und klimaneutralen Kreislaufwirtschaft lenken und dabei das Kernstück der Kreislaufwirtschaft darstellen.
Mit der neuen ESPR werden neben neuen Produktregulierungen auch Informationsanforderungen gestellt. Es wird u. a. ein Digitaler Produktpass, ein Ökodesign-Label und ein Reparierbarkeits-Index eingeführt. Der Digitale Produktpass wird neben den Verbrauchern auch anderen wichtigen Akteuren im Lebenszyklus eines Produkts als Informationsquelle über die Nachhaltigkeit eines Produkts dienen. So können z. B. die Marktüberwachungsbehörden im Rahmen von Konformitätsprüfungen schnell Informationen über die Produkte erhalten. Das gleiche gilt für Entsorgungsunternehmen, die dem Produktpass Informationen betreffend die Kreislauf- und Recyclingfähigkeit von Produkten entnehmen können. Der Reparierbarkeits-Index soll Verbrauchern vor allem als Entscheidungshilfe beim Kauf von Produkten dienen. Er gibt auf einer Skala von A bis E die Reparierbarkeit eines Produkts an. Die Einstufung erfolgt auf Grundlage der Ergebnisse einer Reparierbarkeitsprüfung, die in Übereinstimmung mit bereits veröffentlichten Produktvorschriften und Normen erfolgt.
Darüber hinaus führt die ESPR neben dem Energieverbrauch und der Energieeffizienz viele weitere Ökodesign-Kriterien ein. Damit wird der Rahmen zur Festlegung folgender Ökodesign-Anforderungen ermöglicht:
· Haltbarkeit, Zuverlässigkeit, Wiederverwendbarkeit, Nachrüstbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten
· Möglichkeit der Wartung und Instandsetzung
· Vorhandensein besorgniserregender Stoffe, die das Kreislaufprinzip behindern
· Wassernutzung und -effizienz
· Ressourcennutzung und -effizienz
· Rezyklatanteil
· Wiederaufarbeitung und Recycling
· Umweltauswirkungen, einschl. CO2- und Umweltfußabdruck
· Menge des voraussichtlich anstehenden Abfalls
In Bezug auf spezifische Produktregelungen stehen zunächst Textilien und Schuhe, Möbel, Reifen, Reinigungsmittel, Farben, Schmierstoffe und Chemikalien sowie Eisen, Stahl und Aluminium im Fokus. Aber auch energieverbrauchsrelevante Produkte, für die es bislang keine Ökodesign-Anforderungen gibt, wie Smartphones, Tablets und Laptops.
Betreffend Textilien und Schuhe legt die neue ESPR zudem ein direktes Vernichtungsverbot für unverkaufte gebrauchsfähige Produkte fest. Dieses wird für große Unternehmen 24 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung gelten. Kleine Unternehmen werden von dem Verbot ausgenommen und für KMU wird ein Übergangszeitraum von sechs Jahren eingeräumt. Die Verordnung ermächtigt die Kommission zudem dazu, dass Vernichtungsverbot auf weitere Produktgruppen auszuweiten.
Ausblick: Die neue ESPR wird in Kürze im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden und am zwanzigsten Tag nach der Veröffentlichung in Kraft treten. Bis März 2025 legt die Kommission einen Arbeitsplan für die im Fokus stehenden Produktgruppen fest, für die in den nächsten Jahren Produktverordnungen für das Ökodesign erlassen werden sollen. Gemäß der ESPR darf der erste entsprechende Rechtsakt der Kommission frühstens 12 Monate nach Inkrafttreten dieser in Kraft treten. Der Geltungsbeginn eines entsprechenden delegierten Rechtsaktes muss mindestens 18 Monate nach dessen Inkrafttreten liegen. So soll den Mitgliedstaaten und Wirtschaftsakteuren ausreichend Zeit eingeräumt werden, sich auf die neuen Ökodesign-Anforderungen einzustellen und ihre Produkte anzupassen. In einigen hinreichend begründeten Fällen kann die Kommission allerdings auch ein früheres Datum für die Anwendung festlegen.
Unternehmen, vor allem Hersteller von betroffenen Produkten, sollten sich zeitnah mit der neuen ESPR und den darin festgelegten Ökodesign-Kriterien und weiteren Anforderungen auseinandersetzen und rechtzeitig Maßnahmen ergreifen.
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Linda Hosse
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Frau Hosse absolvierte ihren Master in Biologie an der Universität Hamburg und ist seit 2021 als wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Certlex AG am Standort Hamburg tätig. Sie unterstützt bei der Erläuterung von Rechtsquellen, vor allem im Bereich Umweltschutz, und in der Kundenbetreuung. Neben diesen Aufgaben ist Frau Hosse hauptverantwortlich für die Erstellung von Sachtexten zu aktuellen Rechtsthemen für Marketingzwecke.